Werkstattgeschichten

Langweilig? Hier ist alles off topic.
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Micha
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Werkstattgeschichten

Beitrag von Micha » Mittwoch 14. September 2022, 18:36

Vielleicht wundern sich manche, warum man bei vielen Händlern den Werkstattbereich nicht betreten darf.
Hier ist die Erklärung:


Das Wiegenlied vom Totschlag

Wir zwicken noch eine Inspektion an einem Roller rein, so spricht der Chef.
Eine Stunde später, das Ding steht auf der Hebebühne, frohgemut mache ich, was ich am besten kann und am liebsten tue, ich schraube.

Die Besitzerin verirrt sich zu mir in die Werkstatt, das Schild, das den Zutritt verbietet, geflissentlich übersehend. Ihr Gefährt ist seit 20 Minuten in meiner Obhut, den Helm hat die Dame noch nicht abgesetzt, das wird sie auch in den kommenden eineinhalb Stunden nicht tun und sieht also aus, als wäre ihr Papa Calimero und die Mama ein Minion gewesen.



Sie: „Inn de Schlos von de Tobkäs stekt dä halb Schlüsl, mid dä anner Hälf sperr i jedz aaf un dsu.“

Ich: „Mmmpf.“

Sie: „Na vierzää Dag scho is dä abbroche.“““

Ich: „Fragen Sie den Chef, ob es den Schließzylinder als Ersatzteil gibt, dann ist das kein Problem.“

Sie: „Was wää dä kosse?“

Ich: „Fragen Sie den Chef, ob es den einzeln gibt. Der sagt Ihnen dann auch den Preis.“

Sie: „Na zwe Woche scho is dä abbroche!“

„Sehen Sie in der Police Ihrer Blödheitsversicherung nach, obb dä Schlüssäschädä zahlä“, denk ich mir. „Zwei Wochen ist zu kurz, die dürfen erst 18 Monate, nachdem man sie mit Gewalt verdrillt hat, brechen...“

Ein XXL-Minion betritt den Raum. Der Partner meiner Besucherin. Oder ihr Bruder.
Möglicherweise beides.

Sie: „Ä ha dä Maa gsagd, das dä halb Schlüsl in dä Tobkäs stekt un das ä mid dä anner Hälf jedz aaf- un dsuspärre mus! Weil dä a Hälf ja drinne is un dä anner Hälf...“

Er: „Sän dä Raffa noh gudd?“

Ich: „Der vordere ist sehr gut, der hintere geht noch etwas.“

Sie: „Wä äs däs mid däne Winnaraffe?“

Ich: „Es gibt keine generelle Winterreifenpflicht, aber wenn Eis und Schnee auftreten, dürfen Sie nur mit Reifen mit M&S Kennzeichnung fahren. Oder halt das Fahrzeug an solchen Tagen nicht nutzen.“
Sie: „Was dääde dä Winnaraffe kosse?“

Ich: „Fragen Sie meinen Chef, der sucht Ihnen die Preise raus. Ich schraube, alles was mit Teilen und Preisen zu tun hat, macht er.“

Er: „Dä vodar is noh gudd!“

Er: „Wä äs däs jedz mid dä.....“

Ich: „Sie dürfen vorne Sommer- und hinten Winterreifen fahren. Aber das Fahrzeug dann halt ggfs. nicht nutzen.“

Sie: „Ä fahr aba immer an däne Dag.“

Er: „Dä vodar is noh gudd!“

Sie: „Was dääde dä Winnaraffe...“

Ich: „Mein Chef kann Ihnen den Preis inklusive Montage raussuchen.“

Sie: „Ä fahr imma.“

Er: „Um dä vodar äs schad!“

Er: „Was wää däs kossa wemma....“

Ich: „Die Reifen zweimal im Jahr von Sommer auf Winter umzumontieren ist teurer als die Reifen und völlig unrentabel.“

Er: „Um de vodar äs abba schad! Dä issa noh gudd!“

Ich: „Verticken Sie den doch auf Äbäh.“

Mein Chef betritt den Raum.
Beide stellen ihm alle bereits gestellten Fragen gleichzeitig und durcheinander. Nicht ohne „Na zwe Woche scho...“.

Mein Chef schafft es nur, eineinhalb Minions auf einmal zu bändigen. Das übrige Halbe fragt deshalb auch mir noch längst gestanzte Löcher in den Bauch.

Mittlerweile renne ich plan- und fruchtlos im Dreieck Werkzeuggkasten, Fahrzeug und Inspektionsplan hin und her, nicht mehr in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Tilt!

Ohne es zu wollen kommt mein Vorschlag eruptiv und 8 dB(A) zu laut: „Was haltet ihr Strategen davon, eure Unterhaltung vor der Tür fortzusetzen? Kein Mensch kann arbeiten, wenn drei Leute auf ihn einquatschen!“

Noch im selben Moment realisiere ich, dass ich mich im Ton vergriffen habe.
Der richtige Ton wäre das Montiereisen gewesen.

Jetzt ist mir auch klar, warum die den Helm nie absetzt.

In der folgenden Stunde mache ich die Inspektion zu Ende, alldieweil das Ehepaar Calimero-Minion ununterbrochen auf meinen Märtyrerchef einredet, die Regel bestätigend, dass Handwerker bei Doppelnamen stets in Angstschweiß ausbrechen sollten. Möglicherweise haben die beiden auf dem Rücken Öffnungen, um sie mit einem Schlüssel aufziehen zu können.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Batterie-Werbung aus den 80ern, den unermüdlichen Plüschaffen mit den Becken.

Hier muss ich einfügen, dass ich bekennender Rassist bin. Nicht Hautfarbe, Ethnie oder Religion bewerte ich. Mein Rassismus ist nicht willkürlich und nicht steuerbar, die Zehennägel sind das Kriterium.

Rollt mir ein Dialekt diese auf, übernehmen zu meiner Schande die empfindlichen und reizbaren Nagelbetten die Herrschaft. Es ist dä Däaläggd.

Was sonst, ich weiß ja nicht mal, wo die Minions mit den siamesischen Augen herkommen, es könnten Hessen, Pfälzer oder irgendwelche randtschechische Beutebayern aus Franken sein, die Herzog Tassilo mal beim Scrabble gewonnen hat. Möglicherweise sind es Langobarden. Übriggebliebene Chatten oder Cherusker können sie nicht sein, sonst hießen die Schadde und Schärusse. Der bayrische Erbfolgekrieg ist über die Frage ausgebrochen, wer die Wärter für das Dorf voller Ä bezahlen muss.

So steht also das frisch inspektionierte Gefährt längst probegäfahren vor der Werkstatt, als im Laden mein Chef immer noch unermüdlich Fragen beantwortet.

Eine Viertelstunde nach Ladenschluss bin ich mit Aufräumen fertig, will die Werkstatt verlassen. Ich habe die Rechnung ohnä dä Fämäliä Umlaut gemacht.
Dem Chef ist es gelungen, die zwei ?? aus den Laden zu bugsieren und weil er auf der abendlichen Zusperrunde ist, sind die beiden zwei Minuten ohne Ansprächpartner und völlig vereinsamt.

Ahnungslos tappe ich in die Falle.

Ich: „Wiedersehen und danke!“

Sie: „Wär misse no dä Abdeggung do bställä.“

Ich spreche nicht. Ich heule wie ein Coyote mit zwei Gripzangen an den Klöten:
„Ich Me-cha-ni-ker! Bei! mei! nem! Chef! Bitte!“

Er: „Ä glaab, dä Maa haa scho Feiäabnd.“

Sie haben Ihren Hinterhalt am richtigen Platz aufgebaut. Um die Waschhalle zuzusperren, muss der Chef an uns vorbei.

Sie: „Wa wää dä Abdeggung kosse?“

“Wällä Debb hä zää Minuddä vorrer noh zugsää, wä dä Schäff dä Ädävau awägfaa haa?“ denke ich mir, entsetzt feststellend, dass ich mich per Tröpfcheninfektion bereits an Umlautsprech angesteckt habe. Ich denke jetzt so, wie die reden.

Die beiden verwickeln uns sofort in ein längeres Gespräch, um zu erfahren, was dä Aabau vo därä Abdeggung kosse wää.

Ich: „Das ist nicht billig, weil dafür alle Verkleidungsteile bis hier vorne weg müssen.“

Er: „Däs aa?“

Ich: „Ja. Alle bis hier vorne.“

Er: „Also däs aa?“

Ich: „JA!“

Er: „Un däs?“

Wieder dieses Schraubstockgefühl im Schritt.

Sie: „Was wää dä Einbau von därä Abdeggung kosse?“

Er: „Däs is vääl Arbad, was wää des kosse?“

Chef: „Kleben Sie schwarzes Isolierband drüber!“

„Säh deia! Dänn dä Einbau vo därä Abdeggung daert zwe Woche, un dänn is nu dä Hälf drinne un dä anner Hälf....“ will ich sagen, der Burn-out kommt mir zuvor und lässt mich verstummen.

Ich geh zu meinem Äuto, ääh, Auto und überlasse meinen Chef seinem Schicksal.




Eines muss ich noch anmerken:
Das ist nur ein müder Abklatsch der Realität.
Ich konnte in einer Boxengasse mit drei Dutzend warmlaufenden Rennmotoren arbeiten. Neben den beiden nicht, ich war zu simpelsten Dingen nicht mehr fähig und völlig konfus.

(aus dem Honda-Board von meinem Lieblingsmechaniker mart!n)
Viele Grüße,

Micha

Nie schrauben Sie die Füller Heizkörper Motor
zu vermeiden, Hitze Sonnenbrand.
(Auszug Bedienungsanleitung Beta Rev 250 4T)

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Kutter
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Re: Werkstattgeschichten

Beitrag von Kutter » Donnerstag 15. September 2022, 09:26

Bassamauff Micha,

da hat der Martin aber ein tolles Buch geschrieben und wenn man des liest, dann kann man nur lachen. Für mich echt nicht leicht zu lesen :lol: , aber es hat sich gelohnt ;) .

Ich kann des aber schon verstehen, dass grad sowas einen tierisch auf den Sack geht und des Schild "Betreten der Werkstatt Verboten" genau aus diesem Grund da hängt :lol: .

Almächd, der Schlüssl is inna drin obrochn und jetzala hab i nur noch an Halbn in maner Händ und des fei scho bald zwa Wochen ;)

:lol: :lol: :lol:
Nothing for ungood und viele Grüße aus der Häringsmühle
Kutter
CRF450L CRF1000L Beta REV3 2xSR500 GS500E MZ250TS und ne 14erTrude ;)

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Re: Werkstattgeschichten

Beitrag von raineken » Donnerstag 15. September 2022, 18:59

Für mich als Exil Oberbayern in Unterfranken war diese Passage zum wegschmeißen lustig:

"...oder irgendwelche randtschechische Beutebayern aus Franken sein, die Herzog Tassilo mal beim Scrabble gewonnen hat."

:lol: :lol: :lol:
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rallyMichl
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Re: Werkstattgeschichten

Beitrag von rallyMichl » Donnerstag 29. September 2022, 09:58

Hatte schon ein paar Einsätze in Kinderspiellandschaften, damals als Handwerker, während des Betriebs...da darfst du trotz Absperrung rund um deinen Einsatzort nichts an gefährlichen Werkzeugen - ich meine Schraubendreher oder Hammer oder ähnliches - offen liegen lassen. Sonst darfst du als nächstes - je nach Kind - noch mehr reparieren / den Notarzt rufen / hoffen, dass für dich jemand den Notarzt ruft. :lol:

Ein freundliches "Was machst du da?" - gefolgt von einer freundlichen, kurzen, langweiligen Erklärung von meiner Seite - war mir da noch das liebste. Kindern reicht das auch meistens und du bist anschließend total uninteressant für sie.

Ich bin trotzdem froh, dass ich meistens vor der Eröffnung oder außerhalb der Öffnungszeiten zum Einsatz kam.

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